Ja, aber…?
Ja…: Künstler "gegen das Schweigen, gegen das Vergessen"
"Unsere Eltern haben einst ein Versprechen gegeben: Nie wieder! Ich würde meine Eltern verraten, wenn ich mich jetzt da raushalten würde!" Starke Worte, mit denen Campino begründete, warum er selbstverständlich an diesem besonderen Abend "Gegen das Vergessen. Gegen Antisemitismus" teilnahm. Der Frontmann der Punk-Band "Tote Hosen" – übrigens Düsseldorfer Humboldt-Abiturient wie auch der Autor dieses Beitrags – zeigte sich entsetzt: Juden müssten "angstfrei leben können", überall in der Welt, vor allem aber auch in Deutschland.
Dieser besondere Abend, das war ein Solidaritätskonzert im Theater am Schiffbauerdamm, initiiert von dem deutsch-russischen Pianisten Igor Levit. Musiker, Autoren und Publizisten setzten ein klares Zeichen gegen Antisemitismus. Genauso unübersehbar war auch das vom Publikum gesetzte Zeichen: innerhalb von vier Minuten ausverkauft.
Schon eine unvollständige Teilnehmerliste zeigt, wie breit die Ächtung von Hass, Gewalt und Terror über alle weltanschaulichen und religiösen Grenzen hinaus verankert ist: Ergreifende Worte hörten wir von der 102-jährigen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer, ernste Mahnungen von Michel Friedman, Wolf Biermann regte singend zum Nachdenken an, Katharina Thalbach glänzte mit Literarischen. Mit dabei unter vielen anderen Dunja Hayali (ZDF), Star-Koch Tim Mälzer und "Friday-for-Future"-Sprecherin Luisa Neubauer, die hier klar Gegenposition bezog zu Greta Thunberg.
Ihr sei das Schlusswort überlassen: Gefragt, ob ein paar hundert Gäste bei dieser Veranstaltung oder 10000 auf einer Solidaritätsdemo nicht zu wenig seien; wo denn die Zivilgesellschaft bleibe, meinte sie: Wer ist das denn, die Zivilgesellschaft? Das sind doch wir alle, jeder einzelne, auch ich. Deshalb bin ich hier – mit allem Nachdruck gegen Hass und Antisemitismus, Denn, so Neubauer, die Zukunft können wir nur gestalten, wenn wir aus der Vergangenheit lernen.
…aber: Wie Kunststudenten die Opfer zu Tätern machen
„Wir möchten hier keine Journalisten.“ Wer solches hört, sollte glauben, er sei in Moskau, Peking oder Ankara. Irrtum, er ist in Berlin. Also bei jenen dummdeutschen Rechten, denen alles außer dem eigenen Parteiblatt „Lügenpresse“ ist. Wiederum Irrtum, er ist da, wo der Geist, zumal der akademische, angeblich links steht. Nämlich in der Universität der Künste, im Herzen der Hauptstadt eines Landes, in dem die Pressefreiheit ebenso Verfassungsrang hat wie die Freiheit der Kunst. Und in dem das Existenzrecht Israels zur Staatsräson zählt. Was eine kleine, aber lautstarke Minderheit der hier Studierenden aber offenbar völlig anders sieht.
Sechs Wochen nach dem Terroranschlag der Hamas hielt ein Grüppchen von vielleicht 100 Kunststudenten den Moment für gekommen, ihren 4000 Kommilitonen endlich beizubringen, wer Opfer und wer Täter ist. Wobei sie die palästinensischen Terroristen vorsichtshalber unerwähnt ließen, wohl, um nicht in Erklärungsnot zu kommen – wenn man Fakten partout nicht leugnen kann, werden sie eben totgeschwiegen.
Umso intensiver befassten sich die Aktivisten mit Israel, dem sie "Genozid in Gaza" und Jagd mit Drohnen auf palästinensische Kinder vorwerfen. Ihre Hände haben sie rot gefärbt. Ein drastisches Bild, das sich an deutsche Politiker richtet, die für Israels Selbstverteidigungsrecht eintreten: "An euren Händen klebt Blut!"
Das aggressive Auftreten dieser Aktivisten zeigen inzwischen Wirkung: Norbert Palz, Präsident der Hochschule, bestätigt offiziell, dass "jüdische Studierende Angst haben, die Universität zu betreten". Genau das war nach meinem Eindruck auch so gewollt – so wird blanker Judenhass als Kritik an Israels Politik getarnt. Perfider geht es nicht!
So hat sich der Antisemitismus, teils importiert, teils aber auch hausgemacht, nicht nur auf Deutschlands Straßen etabliert, sondern auch an unseren Universitäten – eine Schande für das "Volk der Dichter und Denker".