Nutzen, aber auch Risiken/Teil 3

Raumfahrt, Teil 3: Warum Rückschläge kein Grund zum Aufgeben sind

 Die Mission verlief, bis auf mehrfache Verschiebungen des Starttermins, planmäßig und reibungslos, einschließlich des gefährlichen und äußerst belastenden Arbeitseinsatzes außerhalb der ISS und der Rückkehr zur Erde. Dennoch hatte Matthias Maurer das so genannte Restrisiko mit in seinem Astronautengepäck. Denn die bemannte Raumfahrt ist technologisch und logistisch hochkompliziert, alles muss perfekt aufeinander abgestimmt sein und zuverlässig funktionieren. Gleich ob technisches oder menschliches Versagen die Ursache ist – schon der kleinste Fehler in einem tausenden Details kann zur Katastrophe führen.

Die US-amerikanische Raumfahrt hat bislang 18 Unfalltote zu beklagen: 27.  Januar 1967 – drei Tote beim Brand von Apollo 1; 15. November 1967 – ein Toter beim Absturz des Raketenflugzeugs X-15A; 28. Januar 1986 – sieben Tote beim Start der Raumfähre  Challenger; 1. Februar 2003 – sieben Tote beim Landeanflug der Raumfähre Columbia.  

Moskau meldet offiziell 63 Todesopfer bei Raumfahrtunfällen; mögliche Dunkelziffern sind Spekulation, allerdings nicht unbegründet. Brasiliens Versuch, zu den Raumfahrt-Großmächten aufzuschließen, endete im Desaster: am 22. August 2003 starben bei der Explosion einer Trägerrakete auf der Startrampe 21 Techniker. Die traurigste Bilanz aber hat China aufzuweisen: am 25 Januar 1995 stürzte eine Trägerrakete nach dem Start auf ein Dorf und tötete nach offiziellen Angaben 21, nach westlichen Medienberichten jedoch rund 120 Bewohner. Gut ein Jahr später, am 15. Februar 1996, ein ähnlicher Unfall mit vermutlich noch schlimmeren Folgen: Eine mit einem Kommunikationssatelliten beladene Rakete stürzte mit fast vollen Tanks auf ein Dorf, Chinas KP sprach von sechs, inoffizielle Stellen in Peking hingegen von rund 500 Toten.

Vor diesem Hintergrund war es mehr als nachvollziehbar. den Starttermins der SpaceX-Rakete mit Maurer an Bord mehrfach zu verschieben.  Safety first, Sicherheit hat absoluten Vorrang, auch das geringste Risiko muss vermieden werden; freilich muss man es auch rechtzeitig erkennen. Das gilt in besonderem Maße für die gefährlichsten Phasen eines solchen Unternehmens, den Start, den Außeneinsatz und die Rückkehr zur Erde.

Und wenn nun doch etwas passiert wäre: Was wären die Konsequenzen? Für Kritiker ist die Sache klar: Sofort und total aussteigen, zumindest aus der bemannten Raumfahrt! Mit welchen Argumenten will man solchem Rigorismus begegnen? Vielleicht damit: Wäre die Menschheit immer solchen allerstrengsten Maßstäben gefolgt, gäbe es heute kein Auto, kein Flugzeug, keine Eisenbahn. Eigentlich hätten alle Entdeckungen, Erfindungen und Entwicklungen, angefangen von der Zähmung des Feuers in grauer Vorzeit, nach den ersten – unvermeidlichen – Unfällen eingestellt werden müssen. Eine Vorstellung, mit der man sich kaum anfreunden kann, selbst wenn man sie sich ganz aktuell als durchaus klimaneutral schönredet.

Nein, Rückschläge, so schmerzlich sie auch sein mögen, müssen zu erhöhter Wachsamkeit führen. Man muss aus ihnen lernen, wie man weitermachen kann, ohne Fehler, Versäumnissen und Schwächen, die man einmal erkannt hat, zu wiederholen. Aber aufhören?

Wie heißt es doch im 1. Buch Moses:

 בְּרֵאשִׁית בָּרָא אֱלֹהִים אֵת הַשָּׁמַיִם וְאֵת הָאָרֶץ 

(Bereschit bara elohim et haschamajim we et ha'aretz).

Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.

Im Anfang! Von einem Ende ist keine Rede…                                                  

H.J.M.