Das Letzte

Ein etwas anderes Porträt des deutschen Papstes
Hans-Jürgen Mahlitz über "Benedikt XVI. Unser letztes Gespräch"
von Markus Lanz und Manfred Lütz

 Unser letztes Gespräch ­ so der Buchtitel. Das Letzte ­ so das vernichtende Urteil manch kritischer Geister in den deutschen Feuilletons. Der Verriss gilt sowohl dem, mit dem dieses "letzte Gespräch" geführt wurde, als auch denen, die es führten. Vor allem einen von ihnen: Markus Lanz. Der Fernseh-Journalist hatte gemeinsam mit dem Theologen Manfred Lütz den emeritierten Papst Benedikt XVI. besucht und nach dessen Tod beschlossen, daraus ein Buch zu machen ­ ein gewiss nicht völlig unkommerzieller Gedanke.

Wohl eher ungewollt haben es die beiden Autoren ihren Kritikern leicht gemacht: Auf den ersten Blick wirkt der Buchtitel wie in Etikettenschwindel. Denn dieses "letzte Gespräch", das übrigens vier Jahre und acht Monate vor Benedikts Tod stattgefunden hatte, nimmt in dem 95-seitigen Buch lediglich zehneinhalb Seiten ein. Da fragt man sich schon, ob man für immerhin 18 € nicht etwas mehr erwarten dürfte.

Allerdings darf der literarische Wert nicht nach Seitenzahl, Schriftgröße oder Buchformat bemessen werden. Wenden wir uns also dem Inhaltlichen zu. In der Tat ging es in diesem "letzten Gespräch" nicht um tiefschürfende theologische oder philosophische Aussagen. Die beiden Co-Autoren konzentrierten sich auf die Atmosphäre dieses Treffens, darauf, wie dieser außergewöhnliche Ruheständler auf sie wirkte. Und sie taten gut daran, diesen Teil ihres Buches auf knapp über zehn Seiten zu begrenzen. 

Umso wichtiger sind die 80 Seiten davor. Im Mittelpunkt steht hier nicht der zum Zeitpunkt des Gesprächs 91-jährige Emeritus, sondern Benedikt XVI. in seiner fast achtjährigen Amtszeit als Papst sowie der Priester, Kardinal und Theologieprofessor Joseph Ratzinger. Ihn, sein Leben, seine Persönlichkeit und sein Handeln, beschreiben die beiden Autoren jeweils aus ihrer persönlichen Perspektive und Erfahrung. 

Manfred Lütz ist Theologe und Psychiater; bis 2019 war er Chefarzt einer Kölner Fachklinik für Psychotherapie und Neurologie. Zusätzlich war er bis 2016 unter drei Päpsten – Johannes Paul II., Benedikt XVI., Franziskus ­ Mitglied im "Päpstlichen Rat für die Laien"; 2017 hat ihn Franziskus erneut in die "Päpstliche Akademie für das Leben" berufen. In diesen Funktionen und auch darüber hinaus hat er sich stets für eine konsequente Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs durch katholische Geistliche engagiert. Hier war Ratzinger/Benedikt für ihn einer der wichtigsten Mitstreiter, eine Darstellung, die natürlich diametral allen entgegen steht, denen ein betont konservativer, angeblich also ultra-rechter und zudem auch noch deutscher Papst schon immer ein Dorn im Auge war.

Hingegen zeichnet auch Markus Lanz, ähnlich wie Manfred Lütz, ein durchwegs positives Bild. Damit verstößt er klar gegen den Mainstream deutscher Leitmedien. Das ist mutig, aber Lanz kann es sich leisten: Als Talkshow-Moderator und als Autor sehenswerter Reportagen hat er sich längst als einer der besten deutschsprachigen Fernsehjournalisten ausgewiesen.

So liegt der wahre Wert dieses Buches nicht, wie der Titel suggeriert, in der Dokumentation eines einzelnen Gesprächs, sondern darin, in der Darstellung dieser Persönlichkeit Ratzinger/Benedikt einiges zurecht zu rücken. Das war überfällig, selbst wenn man vielleicht nicht alles so ausschließlich positiv sehen mag. Jedenfalls tendiert meine eigene Erinnerung an ein persönliches Treffen mit dem damaligen Kardinal Ratzinger deutlich in Richtung Lanz/Lütz.

Mein Fazit: Dieses Buch ist schon deshalb lesenswert, weil es sich gegen die Einseitigkeit stellt, die gerade hier in Deutschland das Bild dieses "unseren" Papstes weitgehend prägt. Eins hat „unser letztes Gespräch“ jedenfalls nicht verdient: diese elitäre, stellenweise beleidigende Arroganz, mit der die beiden Autoren und ihr Protagonist in Leitmedien wie der SZ niedergemacht werden. 

 

Markus Lanz, Manfred Lütz: Benedikt XVI. Unser letztes Gespräch. Kösel-Verlag, München. ISBN 978-3-466-37316-1. 95 Seiten. Preis: 18 €. Markus Lanz, Manfred Lütz: Benedikt XVI.
Unser letztes Gespräch. Kösel-Verlag, München.
ISBN 978-3-466-37316-1. 95 Seiten. Preis: 18 €.