Zurück in der Schwerkraft

Spektakuläre Aussicht: Diesen Blick auf die Erde konnte Astronaut Matthias Maurer sechs Monate lang genießen…                                                       Bild: NASA 

 

Raumfahrt, Teil 1: Trotz hoher Kosten und Risiken:

Warum wir Astronomie und Raumfahrt brauchen…

Von Hans-Jürgen Mahlitz

Mit einer Bilderbuchlandung endete die sechsmontige Mission des deutschen Astronauten Matthias Maurer auf der Internationalen Raumstation ISS. Er brachte ein beträchtliches Bündel wissenschaftlicher Forschungsergebnisse mit zurück in die irdische Schwerkraft – vielleicht die beste Antwort auf unvermindert skeptische Fragen: Warum geben wir so viel Geld für die Raumfahrt aus? Was haben wir davon? Brauchen wir überhaupt so etwas wie Raumfahrt und Raumforschung? Haben wir nicht auf der Erde Dringlicheres zu beantworten als die Frage, ob der Urknall vor 13 Milliarden Jahren oder vielleicht doch erst ein paar hundert Millionen Jährchen später stattgefunden hat?

Gewichtige Bedenken vor dem Hintergrund der Milliardenbeträge, die uns erst ein aggressives Virus und dann ein noch aggressiverer Krerml-Despot abverlangen – derweilen lassen im Hintergrund Greta und ihre Klimaaktivisten grüßen: unsere Erde als bewohnbaren Planeten zu erhalten, wird womöglich noch teurer aus Corona, Putin und sonstiges Ungemach zusammen.

Sparen und verzichten, lautet also die Devise. Aber wo damit anfangen? Lieber da oben im All als hier unten auf der Erde, meinen viele Bedenkenträger. Und die Skeptiker haben gewichtige Argumente auf ihrer Seite. Allein für Maurers Flugticket in der "Crew Dragon" von SpaceX mussten mehr als 50 Millionen Dollar berappt werden. Immerhin ist SpaceX-Eigner Elon Musk noch deutlich billiger als Wladimir Putins Roskosmos, die bisher für einen Platz in ihrer Sojus-Kapsel 90 Millionen kassierte – zahlbar in Dollar und nicht in Rubel! Angesichts solcher Summen ist es nur ein schwacher Trost, dass die ebenfalls von Musk gebauten Tesla-Elektroautos zwar keine Schnäppchen, aber doch deutlich billiger sind als seine Raketen.

 

Die NASA verfügte 2021 über einen Jahresetat von 23,3 Milliarden Dollar, die ESA, an der 22 europäische Staaten beteiligt sind, kam auf 6,7 Milliarden Euro. Gigantische Summen, die allerdings ihren Schrecken verlieren, wenn man sie entsprechend in Relation setzt. Demnach zahlt jeder Europäer, statistisch gesehen, für ein Jahr Weltraumforschung etwas weniger als für einen Kinobesuch. Der Durchschnittsamerikaner lässt sich die Aktivitäten der NASA etwa viermal soviel kosten.

 

Viel Geld. Viel zu viel Geld, wie Kritiker meinen: Geld, dem nur bescheidener Nutzwert gegenüberstehe. Viel mehr als die Teflonpfanne als Nebenprodukt der Raumfahrt fällt diesen Kritikern allerdings meist nicht ein. Sie hätten recht, wenn das wirklich alles wäre – das Schicksal der Menschheit dürfte kaum von weltraumerprobtem Kochgeschirr abhängen.

 

Aber das ist natürlich bei weitem nicht alles. Die Gegenrechnung sieht gigantisch aus. Schon um Jurij Gagarin dreimal um die Erde und Neil Armstrong zum Mond fliegen zu lassen, waren vielfältige technologische und wissenschaftliche Probleme zu lösen. Hinzu kommen gewaltige logistische Leistungen, die ebenfalls in "irdischen" Dingen von größtem Nutzen sind. Vieles gehört längst zum Alltag der Menschen, ohne dass man sich noch daran erinnert, dass es ursprünglich der Raumfahrt zu verdanken ist.

 

Auch wenn die Kosten-Nutzen-Analyse der Raumfahrt deutlich günstiger ausfällt, als manche Kritiker behaupten: Es geht um mehr. Um viel mehr. Raumfahrt ist ja nur eine Komponente der Weltraumforschung, also der Astronomie. Genau genommen, eine Arbeitsmethode, um Kenntnisse und Erkenntnisse zu gewinnen, die sich Rechenzentren und erdgebundenen Teleskopen entziehen. Die man nur "vor Ort" im schwerelosen All gewinnen kann. Und die nicht nur auf das engere Gebiet der Astronomie beschränkt, sondern interdisziplinär bedeutsam sind. So gibt die ESA etwa ein Fünftel ihrer Ausgaben für Erderkundung aus dem All aus, im Zeichen des Klimawandels eine der wichtigsten Aufgaben. Immerhin sind das Jahr für Jahr fast anderthalb Milliarden Euro – ob Gretas Fundamentalkritiker das auch noch "Peanuts" sind, da ja nach ihrer Lesart "die" Politik, "die" Wirtschaft, "die" Wissenschaft (außer Klimapapst Latif und seinen Jüngern), eigentlich also alle anderen generell überhaupt nichts tun, um die Welt beziehungsweise deren Klima zu retten?

 

Forschungsgegenstand der Astronomie ist der Himmel, die Sternenwelt, das Universum. Und das ist nicht irgendwo ganz weit weg da oben, in Goethes Worten "hinten, weit in der Türkei". Das ist die Welt, in der wir leben und deren Teil wir sind. Unsere Erde ist Teil des Himmels, nicht umgekehrt. Übrigens ein nicht übermäßig gewichtiger Teil – in astronomischen Dimensionen relativiert leben wir auf einem winzigen galaktischen Staubkorn.

 

So ist die Astronomie letztlich die "Mutter aller Wissenschaften". Zu den frühesten Zeugen menschlicher Kultur zählen Bauwerke, die streng astronomischen Berechnungen folgen. Die Pyramiden von Gizeh, die Alignements von Carnac, das Säulenrund von Stonehenge seien als Beispiele genannt. Schon damals, vor vier bis fünf Jahrtausenden, wussten die Menschen, wie sehr ihr Leben von himmlischen Ereignissen und Gesetzmäßigkeiten beeinflusst wird. Ihren damaligen Vorstellungsmöglichkeiten entsprechend besiedelten sie den Himmel mit Göttern und Halbgöttern, die für die unterschiedlichsten Dinge des irdischen Lebens zuständig waren – Demeter für die Landwirtschaft, Artemis für die Jagd, Hermes für Handel und Reisen, Hephaistos für Handwerk und Architektur, Poseidon für Meer und Seefahrt. Nimmt man die alten Götternamen als Synonym für heutige wissenschaftliche Disziplinen, wird die Beschäftigung mit dem von Immanuel Kant bewunderten "gestirnten Himmel über uns" zeitlos wichtig.

Warum sollten wir ausgerechnet darau verzichten?

Fortsetzung: Raumfahrt, Teil 2 – Der biblische Urknall