Die Deutschen und ihre Sprache – Teil 2

Doch das Urteil der ebenso streitbaren wie anlehnungsbedürftigen Autorin ist nicht frei von Kritik: Die deutschen Schriftsteller „beschäftigen sich nur mit Theorien, mit Gelehrsamkeit, mit literarischen und philosophischen Untersuchungen, und davon war für die Mächtigen dieser Welt nichts zu fürchten“.

 

In der Tat schien die Sprache in deutschen Landen quasi die Rolle einer Art Ersatz-Politik anzunehmen – ein Sprachraum, umgeben von mehr oder weniger mächtigen Nationalstaaten. So sah das auch der Schriftsteller, Journalist und Literaturkritiker Wolfgang Menzel: „Das sinnige deutsche Volk liebt es zu denken und zu dichten. Was wir auch in der einen Hand haben mögen, in der anderen haben wir gewiss immer ein Buch.“ Ähnlich spottete auch der ansonsten von Menzel heftig befehdete Goethe: „Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen“ (Faust I).

 

Ein Jahrhundert später machte Karl Kraus aus den Dichtern und Denkern ein „Volk von Richtern und Henkern“. Dann wurde nach zwei verlorenen Kriegen Deutsch vollends verengt zur „Sprache der Täter“ oder gar „Sprache der Mörder“. Und heute mokieren sich deutsche Bildungspolitiker, leider nicht zu Unrecht, über „Dichter, Denker, Schulversager“.

 

Solch kritische Worte über die Deutschen und ihre Sprache sind schmerzlich und manchmal auch übertrieben. Aber sie beschreiben eine Entwicklung, mit deren heutigem, hoffentlich nur vorläufigem Schlusspunkt wir keineswegs zufrieden sein können. Erinnern wir uns: Es war die Sprache, die dieses Volk zusammenhielt und zu beständigen staatlichen Formen finden ließ. Dass es im 19. Jahrhundert zur Reichsgründung und schließlich zur heutigen staatlichen Ordnung im deutschen Sprachraum kommen konnte, war zu großen Teilen das Verdienst des Schriftstellers Hoffmann von Fallersleben. Daher ist die dritte Strophe seines Deutschlandliedes zu Recht unsere Nationalhymne (die anderen Strophen sind übrigens keineswegs „verboten“, wie uns übereifrige Ideologen weismachen wollen).

 

Die deutsche Sprache hat unser Volk länger als ein Jahrtausend zusammengehalten. Wenn wir heute beklagen, dass diese unsere Gesellschaft auseinanderdriftet und zu einer Ansammlung von Individuen – sorry: von Singles – entartet, die nichts miteinander zu tun haben wollen, dann hat das auch damit zu tun, was wir unserer Sprache antun. Man möge beklagen, dass hinter Anglizisten und anglo-amerikanischer Sprachüberfrachtung System stecke: Wer die Sprache beherrsche, beherrsche das Denken, die Menschen, das ganze Land. Aber vor lauter Jammern darüber, was "finstere Mächte" uns angeblich alles aufgezwungen hätte, sollten wir nicht vergessen: Wer die simpelste Anforderung gleich als "Challenge" empfindet, tut das ebenso freiwillig wie der Drfladeneigner, der glaubt es kämen automatisch mehr Kunden in seinen Laden, wenn dieser nicht "geöffnet", sondern "open" ist. Weitere Beispiele: Mit dem angeblich englischen „Handy“ kann kein Engländer etwas anfangen, und lädt man einen Amerikaner zum "public viewing" ein, wird der fraggen, wer gestorben ist . Denn was wir damit meinen, heißt in korrektem Englisch "public screening", und was wir in vermeintlichem Englisch sagen, bedeutet in Wahrheit "öffentliche Aufbahrung eines Verstorbenen". Aber vielleicht können die Engländer und erst recht die Amerikaner ja auch nicht so gut Englisch wie wir!

 

Prof. Walter Krämer vom Verein Deutsche Sprache brachte es auf den Punkt: „Wer nichts zu sagen hat, sagt es auf Englisch“. Na also: Wenn wir in der Politik, in der Wirtschaft, in der Kultur und im täglichen Leben noch etwas zu sagen haben wollen, sagen wir es doch ganz einfach – auf Deutsch!